Literarischer Adventkalender von Susanna Haunold
INSIDER-INFOS
(zu einem Konzert/Lesung-Mix) Die Menschen strömen in Theater und ähnliche Stätten, weil sie eine Erwartung hätten: das Personal dort soll sie mit Kunst verwöhnen und mit ihrem harten Alltag versöhnen. Mixturen wie unsere sind dabei sehr beliebt, weil es zwei Sparten im Angebot gibt, sollte die eine nicht so recht konvenieren, kann man sich noch mit der andren amüsieren. Wir haben es eigentlich nicht als Serviceleistung gedacht, sondern weil es uns selbst gerade so Freude macht! Etwas Kulinarik dazu wäre ideal, wir denken dran - beim nächsten Mal. Was das Programm betrifft, so haben wir die Gehirne gewunden, eine gute Lösung ist nicht leicht gefunden. Einige Besucher möchten in Bezug auf die Musen am liebsten mit einer heiteren schmusen. Andere haben einen Wunsch, einen frommen man möge dem Bildungsauftrag kompromisslos nachkommen. Da wird es einem als Organisator recht bang, denn einiges ist großartig, aber leider viiiel zu lang. Bei anderen Texten fällt das Anfreunden recht schwer, sie kommen edel, wenig hilfreich und langweilig daher. Dann findet man einen und meint, er wäre perfekt, bis man prompt ein profanes Problem entdeckt: ist der Autor nämlich noch nicht 70 Jahre verschieden, lässt uns die Dings-Behörde nicht mehr in Frieden; sie will irgendwelche Abgaben eintreiben, da lohnt es sich fast etwas Altes umzuschreiben. Aber warum nicht die Gunst der Stunde nützen, dass interessierte Leute in der Gegend herumsitzen? Man könnte die Arglosen mit etwas Eignem beglücken, von Balladen über Novellen bis zu Theaterstücken. Und sollte es halbwegs erfolgreich laufen, am Ausgang noch ein paar Bücher verkaufen. Falls diese kleine List Empörung entfacht: haben Sie schon über folgendes nachgedacht? - sind Sie mit der Person hier oben irgendwie verbunden, hat diese manche Formulierung nur für Sie gefunden. Woanders werden Sie so ein Service sicher nicht kriegen - der Bäcker wird das Kipferl nicht um 2° Grad mehr biegen oder ihr Anwalt, um Sie buchstäblich in einem Fall zu beglücken, ein Gesetz mit weiteren Absätzen bestücken ... und wir werden, wenn wir über Theater-Internes referieren ein echtes „Schön, dass du da bist!“ plazieren. Sie bekommen keinen 'Reminder' mit einem nüchternen Ton, sondern ein individuell-herzliches: „Na, freust du dich schon?“ Bevor Sie sich nun dankbar und gerührt zurücklehnen, sollte man eine andere Gefahr erwähnen: Man könnte hier oben egoistisch handeln und das ganze in eine Selbsthilfegruppe umwandeln. Ein bisschen eindimensional, da wir uns darauf beschränken, allen zu erzählen, was wir fühlen und denken. Das Auditorium darf andächtig zuhören und allerhöchstens mit Beifall stören. Wir belasten uns deswegen nicht mit Selbstvorwürfen, sie sollen froh sein, dass sie dabei sein dürfen....! Falls das Verständnis, für dieses Vorgehen nicht reicht, der Milderungsgrund: wir haben es auch nicht immer leicht! Zwar müssen die Menschen zu uns ihre Augen erheben - wie auch zu Kranführern, die noch viel höher schweben ... Doch möchte man die Gefilde der Literatur verlassen, muss man sich mit dem realen Leben befassen. Und man hört Humoristen nicht ungerechtfertigt stöhnen, dass sie sich bald ohne Aufgabe wähnen, denn die Absurdität des Alltags beschleunigt ihren Schritt, da kommen Kabarettisten einfach nicht mehr mit; die Welt scheint uns momentan mit schwarzem Humor zu necken, bei vielen Themen bleibt das Lachen schlicht im Hals stecken. Das gilt für Kleinkram, der auf einer lokalen Ebene passiert und uns mit seiner banalen Dummheit sekkiert. Bei den Geschehnissen in der Welt, bleibt uns das Herz fast stehen und die Frage offen: wie damit umgehen? Soll man all die Tragik sensibel thematisieren, oder - weil es allen reicht - sie völlig ignorieren? Darf man sich dem allgemeinen Trotz anschließen und das Leben gerade mit Kunst einfach nur genießen? Wie viel Zeit, wie viel Rücksicht muss denn walten, um die Ereignisse satirisch zu gestalten? Es sind scheinbar allgemein harte Zeiten angebrochen, die privaten Sorgen wurden noch nicht 'mal angesprochen. Ein krankes Kind, der Job wackelt und auch sonst wenig zu lachen, und wir sollen hier oben den Kasperl für sie machen? Ja! Denn wir haben ein bisschen die Entwicklung verdöst und gerade mal die Hofnarren irgendwie abgelöst. Wir möchten nichts Großartiges, nicht lehren oder heilen, sondern: unterhaltsame Augenblicke teilen. Wenn Kritiker jetzt ihre Zungen wetzen, weil sie Humor & Konsorten nur sehr gering schätzen; die Clowns in den Spitälern praktizieren ihn auch, und das senkt angeblich den Schmerzmittelverbrauch. Hätte man den Karrierewunsch einst zur Sprache gebracht: „Mama, ich möchte das werden, was eine Tablette so macht!“ nun, sollte es nicht jene für sanften Schlummer sein, gehört das Schmunzeln, das Lachen uns ganz allein. Falls uns jemand wegen der Berufswahl rügt, „Gehen Sie doch zum Zahnarzt, der Ihnen Schmerzen zufügt!“ Und sollte sich jemand zu einer negativen Kritik bequemen - unsere Sensibilität ist nicht nur als Sprichwort zu nehmen! So, nun sind Sie mit Insiderwissen verseh'n - das Programm kann munter weitergehen. Vorher werde ich - in der hohen Position - ein Machtwort sprechen, wir begehen jetzt gemeinsam ein kleines Verbrechen: wir stehlen uns eine Stunde unbeschwertes Leben - die Sorgen, bitte ausnahmslos, in der Garderobe abgeben! |