Literarischer Adventkalender von Susanna Haunold
Gendern für Fortgeschrittene
Es ist lobenswert auf die Gefühle von Angesprochenen zu achten und nach Geschlechtergerechtigkeit zu trachten. Mit dem 'Gendern' will man dem Umstand Rechnung tragen - es ergeben sich hierbei aber doch Fragen. Ein Einwand mag die edle Intention stören das Binnen-I, man kann es nicht hören! In manchen Texten ist es auch optisch schwer wahrzunehmen und führt mitunter zu Verständnis-Problemen: auch wenn das diesbezüglich nicht plausibel erscheint: sind jetzt die Frauen nur gemeint? Wenn hingegen nur die 'Nicht-In'-Form Verwendung findet ist der Argwohn zurzeit nicht ganz unbegründet ob man damit alle Geschlechter meint? Auch wenn es gar nicht passend erscheint. Von neunzig Prozent früher als allgemeingültig empfunden - diese Sicherheit ist nun entschwunden!! Man kann das alles auch positiv seh'n, die Evaluation gelingt wirklich schön! Die zusätzliche Nennung eines weiblichen Vertreter kostet in der Zeitung plus 2 Millimeter. Die 'In'-Formen, die in Büchern auftauchen, werden je Schriftgröße etwa so viel brauchen. Political correctness kann sich messen lassen. das Ergebnis lässt sich mathematisch erfassen; anstatt zu grübeln' war ich innerhalb der Norm?' ' Ja! - elf Zentimeter genderkonform!' Man kann überall ein Haar in der Suppe suchen und die Regelung als Service für Kriminelle verbuchen. Die Polizei weist etwa ausdrücklich darauf hin, diese Details verdankt sie einer Informantin Unholde wissen deshalb ganz genau; der Verräter war - eine Frau! Für die Hilfe an die Behörden ein Dankesschreiben, lassen Täter beiderlei Geschlechts wohl doch lieber bleiben .. Ein Themenkomplex bleibt für mich rätselhaft: wie man die Umstellung bei Berufen als Namen schafft? Gelten sie unter den neuen Gesetzen nicht mehr? Denn ein 'update' zu finden wird wohl recht schwer. Oder müssen sich die Personen in diesen Fällen als 'Ich bin X. Bauer/Bäuerin' vorstellen? Man muss es wieder zur Sprache bringen, den Schrägstrich zu hören, wird nur wenigen gelingen. Man wird wohl eher an einen Bindestrich denken - konnte Amor seine Pfeile erfolgreich lenken. Diese Personen sollten Visitenkarten mit sich führen, um es beim Lesen richtig zu interpretieren; sind Herr Bauer und Frau Bauer in die Liebe getaucht, es dann einen gedoppelten Gender-Namen braucht? Sich zu Familie Bauer/Bäuerin-Bauer/Bäuerin vereinen, das wäre kompliziert, könnten Kritiker meinen; doch der Zeitaufwand ist noch geschenkt, wenn man die Namen der nächsten Generation bedenkt: Gendern für Fortgeschrittene „Frau Tischler/Tischlerin-Schneider/Schneiderin-Schmied/Schmiedin gestatten, Frau Bauer/Bäuerin-Müller/Müllerin-Schuster/Schusterin mit dem Gatten.“ Im Hinblick auf diese Anforderung - seien wir doch ehrlich - ist die Datenbrille nicht umstritten, sondern schlicht unentbehrlich! Wir wollen uns nicht in der Thematik des Stammbaums verlieren sondern einen Blick auf andere Probleme riskieren. Es wird für Männer Zeit die 'Hoministen' zu gründen, denn es lassen sich einige Benachteiligungen finden: Das Milchmädchen etwa ist nur in Mathematik nicht kompetent; den Milchbubi man generell bei Unreife nennt. Eine Hochzeit - für das Paar der schönste Tag der Welt, bis man ein betrübliches Detail feststellt, dieses Phänomen hat noch niemand wirklich verstanden es ist nur bei der Braut ein Vater vorhanden. Beim 'mutilateral charakter' wiederum bleibt die Frage offen, ist der Vati von dem EDV-Begriff nicht betroffen? Ich werde auch nicht zu fragen müde: Sind denn nur die Rüden rüde? Während sich die hündische Damenwelt mit sanfter Wesensart gefällt? Wie weit will man diese Vorgangsweise treiben? Das neutrale 'In' gar nicht mehr hinschreiben? Zu Valent wird der Valentin - phonetisch nicht schön und am Spielplan wird dann Rob Hood plötzlich stehn. Die Amis hatten das Problem schon früher erkannt mit 'Unisex'-Namen boys und girls benannt; Lee, Leslie, Dee, Taylor sind für beide im Gebrauch, für Nicola und Andrea im Süden gilt das auch. Manches würde recht exotisch klingen, und man muss erst das Hirn auf Vordermann bringen; denn auf den ersten Blick erkennt man es nicht wenn jemand so über seine Karriere spricht: die Begeisterung als Manager einer Sohnfirma war geschwunden als Krankenbruder hat er seine Berufung gefunden. Sollte man der Fairness halber in beide Richtungen gendern und den Mehrzahl-Artikel auf 'der' abändern? Statt dass man speziellen Problemen den Kampf ansagt, geht man nach Suppenhaaren auf die Jagd; bei Unterführungen ist das zum Beispiel der Fall, das 'ungute Gefühl' dort - das ist neutral ...! Zum Schluss werden wir nicht im Theoretischen verharren, sondern konsterniert auf die Umsetzung starren. Weil es so wichtig ist, gerade dann korrekt vorzugehen werden wir ein Notfalls-Szenario ansehen: Die Person, die folgende Worte gelassen ausspricht, vergisst auch bei einem Unglück auf das Gendern nicht: „Lieber Patient, liebe Patientin, lassen Sie mich skizzieren, wie wir professionell Ihre Rettung durchführen: Sie können dem Einsatzleiter, der Einsatzleiterin vertrauen, die auf eine langjährige Erfahrung bauen. Der Notarzt, die Notärztin werden nach einer schnellen, Untersuchung eine Diagnose erstellen. der Sanitäter, die Sanitäterin tragen sie danach eiligst in den Krankenwagen. Vorher noch ein paar Antworten wären schön, haben Sie einen Zeugen, eine Zeugin gesehen? Der Vorfall kann zu behördlichen Konsequenzen führen, Sie sollten einen Anwalt, eine Anwältin kontaktieren. Und verlieren Sie keinesfalls den Mut, ihren Begleiter, Begleiterinnen geht es gut. Kaum hat die Person die Erklärungen beendet, sich der Patient /die Patientin an sie wendet: „Die politische Korrektheit ehrt Sie sehr.“ Das Opfer richtet sich auf, er/sie atmet schwer. „Doch da Sie dieser Formalität soviel Raum geben, spielen Sie buchstäblich mit meinem Leben! Falls ich es schaffe, trotz dem Gendern, werde ich meinen Beruf verändern: denn sollte ich von diesen Verletzungen genesen, bin ich längste Zeit Gleichstellungs-irgendwas gewesen!!“ |